Ich reflektiere mich immer wieder selbst, ob sich ein Unsinn in meine Gedanken eingeschlichen hat. Ich versuche rigoros zu sein und verpflichte mich selbst den Axiomen der Logik. Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und nicht wahr sein. Wenn dem doch so ist, ist die Aussage nicht präzise. Manchmal geschieht es jedoch, dass es Widersprüche gibt. So glaube ich an einen allgütigen und allmächtigen Gott. Dies widerspricht jedoch der Existenz des Leides in dieser Welt. Ich bin mir diesem Widerspruch jedoch bewusst und weiss, dass entweder die Allgütigkeit, die Allmacht oder die Realität des Leides in der Welt falsch sein muss. Ich bin nur nicht bereit, mich festzulegen, welche Annahme falsch ist. Wobei ich dazu tendiere, die Allmacht fallen zu lassen.
In meinem alltäglichen und praktischen Leben verhält sich jedoch anders. In der Realität gibt es Phänomene wie «positive Psychologie» oder «Placebo» im nicht religiösen Umfeld, oder die «Proklamation» im religiösen. Dies sind Aussagen, die nachweislich eine Wirkung haben, jedoch als logisch falsch angesehen werden müssen, da sie der jetzigen Realität widersprechen. Diese Reden werden in der Sprachakttheorie als performativ beschrieben. Diese beurteilt eine Rede aufgrund ihrer Wirkung. Das passiert jedoch in derselben deutschen Sprache.
Nehmen wir an, wir haben zwei Personen. Den Performer und den Logiker. Der Performer spricht «Wenn du wirklich daran glaubst, dann kannst du es auch.» und der Logiker widerspricht, dies sei nicht korrekt. Hat der Logiker keinen Humor und Verständnis für Performanz, wird er sagen: «Glaube mal fest daran, dass du zugleich lebendig und tot sein willst. Das schaffst du nicht.» Und natürlich ist die Aussage vom Performer logisch betrachet falsch. Doch der Performer hat auch etwas am Logiker zu kritisieren. Sagt der Logiker: «Das Universum ist fast unvorstellbar grösser als ich und meine Existenz hat einen vernachlässigbaren Einfluss auf das gesamte Universum.» Der Performer würde kritisieren, dass diese Aussagen negative Auswirkungen auf die Person haben. Und beide haben recht. Logisch gesehen, haben wir da kein Problem.
Wir müssen nur von unseren Werten aus beurteilen, welche Aussagen wir gleichzeitig innehaben können. Ich persönlich versuche bei Aussagen zu klassifizieren, ob sie performativ oder logisch sind und akzeptieren darum auch mal Widersprüche, weil ihr Anspruch ein anderer ist. So ist die oben erwähnte Allgütigkeit und Allmacht nicht nur eine rein logische Aussage (obwohl sie das auch ist), sondern auch eine performative. Glaube ich, Gott habe diese Eigenschaften, dann hat das einen Einfluss auf meine Weltanschauung und meinen Optimismus. Deshalb möchte ich keinen der Begriffe aufgeben, weil ihre Performanz für mich wichtig ist.
Warum also nicht einfach den ganzen Bereich der Religion in die performative Sprache auslagern? Weil die Realität die stärkste Performanz hat. Wahre Aussagen haben Macht. Egal, welche Regierung oder Gewalt gegen sie ankämpft, die Wahrheit bleibt bestehen. Ist eine performative Aussage auch noch wahr, wird sie praktisch unerschütterlich und verlässlich. Ich glaube, die Religion ist nicht eine Ansammlung von performativen Aussagen, sondern der Versuch, die beiden Welten der Sprache zu vereinen. So bleiben Aussagen in der Bibel über Gott vage und mysteriös, Aussagen über Konsequenzen von falschem Verhalten jedoch sehr anschaulich.
Der einzige Wert der Wahrheit ist, dass sie die Aussage performanter macht. Korrekte Voraussage von Ereignissen sind nur relevant, wenn wir unser Verhalten an die Voraussage anpassen können (unser Verhalten anpassen heisst Wirkung haben). Damit meine ich, wenn wir als Menschheit keine Performanz haben, werden wir aussterben. Wenn wir keine Wahrheit haben, verlieren wir vielleicht etwas an Performanz.
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